Lesung: Monchi – Niemals satt

Autor:

Christian

Kategorie:

gepostet am:

29. Januar 2023

Lesung Monchi - Niemals satt 26. Januar 2023, Leipzig Kupfersaal

Mit meiner über dreißigjährigen Erfahrung als Adipöser war die Ankündigung über das nächste Buch eines Leidensgenossen mit Erfolg natürlich wieder einmal der Beweis dafür, es nicht geschafft zu haben.

Wer meinen Weg halbwegs verfolgt hat weiß, dass gefühlt jede Option ein Thema war, um zum Ziel zukommen, ich mir aber weiterhin selber im Weg stehe.

Als im April 2022 dann das Buch »Niemals satt. Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage« von Monchi erschien, war ich mir noch nicht so sicher, was mich erwarten wird. Meine Sorge war groß, dass es ein weiteres Buch ähnlich der Bücher von Eiweiß Erwin und Co. wird und man vieles in dieser Form schon gelesen hat. Natürlich gibt es in jeder Geschichte Wiederholungen, wenn die Thematik dieselbe ist. Ich war sehr gespannt und habe das Buch direkt zum Erscheinen geholt und verschlungen. Passiert mir sonst nicht so wirklich oft.

Zum Buch wurde zusätzlich eine Lesereise angekündigt und sogar Leipzig war das Ziel von Monchi. Natürlich habe ich nicht lange gewartet und kaufte mir sofort Tickets dafür, denn ich war interessiert an weiteren Geschichten und der zu erwartenden Emotion dahinter.

Ich möchte hier ein bisschen meine Erfahrung und Gedanken zum Buch und der Lesung verarbeiten und anreißen, ohne dabei zu viel vom Buch selber zu erzählen. Das Buch kann ich aber ans Herz legen, wenn euch die menschliche Geschichte hinter dem Thema interessiert.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Parallelen und Selbstreflexion

Monchi ist drei Jahre jünger als ich, viel erfolgreicher und dennoch teilen wir eine Gemeinsamkeit. Wir waren der Fetteste, den wir kennen. In meinem Bekanntenkreis kannte ich wirklich niemanden, der nur ansatzweise mehr auf die Waage brachte als ich und war somit mit dieser Thematik mein Leben lang alleine.

»Ich wiege 120 Kilo und fühle mich wie ein Schmetterling.« – Monchi

Es ist wirklich erstaunlich, man merkt in vielen Situationen gar nicht, wie schnell man immer dicker und dicker wird und sich am Ende selbst belügt und die Wahrheit ignoriert. Irgendwo im Leben sieht man dann doch einen dickeren Menschen und denkt sich, es ist ja doch nicht so schlimm bei mir.

Man arrangiert sich auch schnell mit bestimmten Situationen und lernt mit den Extremen umzugehen und wird teils auch paranoid. Als Monchi erzählte, dass er vor Restaurantbesuchen die Lage auskundschaftet, fühlte ich mich sehr daran erinnert, dass ich mir auch vorher immer die Sicherheit hole und weiß, dort neben dem Sitzen ggf. auch das öffentliche Klo benutzen zu können. Es gibt am Ende nichts Schlimmeres als sich den Arsch nicht abwischen zu können, weil man einfach nicht mehr richtig dran kommt und die Bauweise der Toilette dann genau dagegen spielt.

Vom Baden in einer Wanne brauchen wir gar nicht erst zu reden. In meiner damaligen Wohnung gab es eine kleine Raumsparbadewanne und die war nach zwei Schnapsgläsern schon voll und ich quelle über.

Lesung Monchi - Niemals satt 26. Januar 2023, Leipzig Kupfersaal

Lesung Monchi – Niemals satt 26. Januar 2023, Leipzig Kupfersaal

Gegenwart trifft Vergangenheit

Was mir sehr am Buch und der Lesung gefällt ist, dass wir hier einen wirklich persönlichen Einblick ohne Blatt vor dem Mund bekommen und endlich auch mal Dinge angesprochen werden, über die man mit Niemandem redet. Selbst mit möglichen Gleichgesinnten findet sich da kaum eine Gesprächsebene, da die Scham zu groß ist.

Natürlich präsentiert er die Themen mit einem bisschen Witz und seiner norddeutschen Art, aber jeder, der nicht gänzlich auf den Kopf gefallen ist und die Probleme selber nicht hat, wird nachvollziehen können, dass es diese Probleme nun einmal gibt.

Wenn ich seinen Weg mit meinem vergleiche, stelle ich fest, dass wir beide nicht zur Ruhe kommen, viel mit Essen kompensieren und Vermeiden unsere Paradedisziplin ist. Obwohl wir viel gemeinsam haben, sind wir dennoch vollkommen unterschiedlich. Während er die Rampensau und sehr bekannt ist, bin ich inzwischen weitaus zurückhaltender und meide unter anderem die Fußballszene (in seinem Buch beschreibt er ein Fußballspiel in Braunschweig, an dem ich auch teilgenommen habe und froh bin, damals nicht gänzlich in der dortigen Szene aktiv gewesen zu sein) und Menschen. Manchmal wäre ich auch sehr viel extrovertierter und hätte mehr Mut. Mich z. B. werdet ihr nicht wie Monchi nackt in der Ostsee schwimmen oder auf einer Bühne stehen sehen. In vielerlei Hinsicht wäre ich halt einfach gerne anders …

Eifersucht, Probleme und eine aussichtslose Zukunft?!

Während ich zum Beginn meiner öffentlichen Abnehmphase und dem Start von aktion100, der TV-Sendung auf Sat 1 und den Veröffentlichungen in der lokalen Zeitung mit allem viel anders umging. Weiß ich inzwischen gar nicht mehr, warum ich den Blog und Co. überhaupt noch aufrechterhalten will. Irgendwie möchte ich dennoch mal zurückgucken können und sehen, der Weg war schwer, aber ich habe ihn trotz vieler Hürden und Umwege geschafft. Ob das jemals eintreten wird?

Am Ende ist jeder Mensch, der über meinen Blog stolpert und mich als Beispiel sieht, wie er nicht enden möchte und sein Leben in den Griff bekommt, ein Gewinn. Auch wenn ich persönlich nicht viel davon haben werde, ist der Gedanke ein wichtiger in der Dunkelheit.

Eines der schlimmsten Gefühle, das vollständig eigen verantwortet ist, ist die Eifersucht gegenüber Menschen, die einen ähnlichen Weg gehen und es schaffen. Natürlich kennt man dort die gesamte Geschichte auch nicht, aber es ist nun einmal sichtbar nach außen. Zu der Eifersucht kommt der Selbstzweifel und Hass mir selbst gegenüber immer wieder hervor.

Während Monchi auch mit Rückschlägen im Leben kämpft und einen tollen Erfolg während einer Pandemie mit dieser Abnahme verzeichnen kann, ist es zwar geil zu sehen, dass man es schaffen kann. In Hinblick auf das eigene Leben frisst sich aber die Dunkelheit weiter nach vorne und die Frage wann man seinen eigenen roten Faden findet und sich selbst wieder liebt und den Kampf schafft, steht weiter in den Sternen. Ein Thema, was ich auch nicht verstehe: Sterne und Universum, aber dies spielt hier gerade keine Rolle.

Während ich sehr viel Hilfe von außen bekommen habe, als ich 232 kg gewogen und dank der ersten Operation vor neun Jahren (Oktober 2014 Schlauchmagen) eine Lebensverlängerung bekommen habe, war die nie vorhandene Ruhe im Leben ein Problem, was ich nicht kompensieren konnte. Ich bin viel zu spät in Therapie gegangen und habe es versäumt, den Schwung der Abnahme von 75 kg mitzunehmen. Dies ist klar im Gewichtsverlauf erkennbar und man kann eine Schablone daraus machen, wann Probleme vorhanden waren und wie sich das Gewicht entwickelt hat dadurch.

Auch die zweite Operation vor sechs Jahren (November 2017 Umbau Schlauchmagen zum Omega-loop-Magenbypass) brachte zwar mein tiefstes Gewicht mit 151,7 kg (Abnahme von 39,7 kg) und ein besseres Leben, aber die Probleme sind weiterhin vorhanden und zehren an mir. Pandemie und Co machen sich da leider sehr sichtbar und es sind zu viele Baustellen, die ich nicht lösen kann und mich im Jahr 2023 noch viel Kraft kosten werden.

Es ist noch ermüdender, wenn man weiß, wie man die Probleme benennen und ggf. lösen könnte, weiß welche Wege es gibt, aber die Kraft fehlt, weil die Arbeit und das Leben einen so sehr ficken, dass man am Ende des Tages einfach nur noch aufgeben möchte.

Versprechen an sich selbst halten?

In den letzten Jahren habe ich versucht, Versprechen an mich zu halten und bin gnadenlos gescheitert.

Ich wollte schon als ich die Tickets für die Lesung erworben habe, ein Foto mit Monchi haben, alleine schon um irgendwann mal sagen zu können »Hey Monchi, weißt Du noch damals im Jahr 2023? Da wog ich mehr als Du zu Beginn Deiner Reise mit Maximalgewicht gewogen hast.«

Während der Lesung hat mein Kopf ganz viel Dunkelheit und Emotionen produziert und ich habe den Mut verloren mir genau dieses Foto zu holen. Zum Glück habe ich einen Arschtritt von der Frau bekommen und unsere Plätze waren recht nah am Ausgang, aus dem er während der Pause zum Publikum kam, für Fotos und Autogramme. Mir rutschte das Herz in die Hose und ich bekam Panik und wurde sehr unruhig, je näher ich diesem Moment kam.

Als ich dann an der Reihe war, ging ich im Kopf aus und wusste nicht mehr weiter. Also fing ich an Monchi meinen Dank für sein Buch und die Worte auszusprechen und ihm ein bisschen von meinem Lebensweg zu erzählen und ihn darum gebeten, wenn es die Option noch einmal gibt, möchte ich das Foto wiederholen mit zwei Siegern, die den Kampf gegen ihre Sucht gewonnen haben.

Lesung Monchi - Niemals satt 26. Januar 2023, Leipzig Kupfersaal

Lesung Monchi – Niemals satt 26. Januar 2023, Leipzig Kupfersaal

Christian und Jan "Monchi" Gorkow

Es war ein sehr angenehmes kurzes Gespräch und alleine seine Worte mir gegenüber haben gutgetan und ich hoffe, dass ich dieses Versprechen mir gegenüber halten kann und ich irgendwann wieder die Chance habe ihm so Nahe sein zu dürfen.

Dann wird das Foto wiederholt und hoffentlich auf eine erfolgreiche Zeit zurückgeblickt.

Wer weiß am Ende, wie die Reise endet … ich möchte gerne nicht nur von mir, sondern auch von außen endlich wieder ehrlich wahr und ernstgenommen werden.

Hier könnt ihr noch einen weisen Kalenderspruch von Mahatma Gandhi oder Richard David Precht denken.

Spotify Playlist von Monchi: »Lieder, die ich beim Schreiben hört«

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Schreibe einen Kommentar

neueste Beiträge