Gewichtsupdate Oktober 2025: Nachsorge zwischen zwei Welten

Die Nachsorge nach meiner Magenoperation läuft weiter trotz Krebsdiagnose, Erschöpfung und vieler Rückschläge. Zwischen Stillstand, kleinen Fortschritten und ehrlichen Gedanken über Körper und Seele versuche ich, nicht perfekt zu sein, sondern echt zu bleiben.

Zwei PlayStation 5-Controller, Kopfhörer, ein gelbes Notizbuch und ein Klinikzettel des Universitätsklinikums Leipzig liegen nebeneinander. Ein stilles Sinnbild zwischen Nachsorge, Rückzug und Alltag.

Es fühlt sich für mich manchmal seltsam an, dass die Nachsorge meiner Magenoperation auch all die Jahre später noch ein fester Bestandteil meines Lebens ist.  Zwar war mir von Anfang an bewusst, dass es für immer so sein wird, dass ich ein Adipositaspatient bleibe, dennoch war mein Plan ein anderer. 2014 kam der Schlauchmagen, 2017 der Umbau zum Omega-Loop-Bypass. Beides sind Eingriffe, die mein Leben verändert haben und die ich vermutlich auch nie wieder machen würde, wenn ich mich noch einmal dafür entscheiden müsste. Es ist da dieses Gefühl, dass ich damit nie wirklich „fertig“ werde, weil ich mich auf einer Achterbahnfahrt befinde, aus der ich aktuell keinen Ausweg finde.

Auch jetzt, nach der Krebsdiagnose, bleibt die Nachsorge ein Thema, das weiterlaufen muss. Beim letzten Termin am Universitätsklinikum Leipzig habe ich meiner Ärztin ein ehrliches Update gegeben. Ich musste zugeben, dass die Vorsätze aus dem Januar kaum umgesetzt wurden, weil die Psyche einfach nicht stabil genug war und im Juni hat mich die Diagnose endgültig aus der Bahn geworfen.

Seit August läuft es langsam wieder geregelter, denn obwohl mir die Beine weggezogen wurden und ich wieder einmal am Boden lag, habe ich mich aufgerafft und die Probleme von vorne aufgelistet und sortiert. Ich nehme meine Supplemente zuverlässig und habe zudem seit September 2024 den Zucker aus der Cola verbannt. Klar, Cola Zero ist keine Lösung für mein Problem. Ich weiß auch, dass das kein Wundermittel ist. Aber es hilft, die Sucht in den Griff zu bekommen und zumindest diese unnötigen Kalorien wegzulassen. Eine kleine, aber wichtige Baustelle. Den Wechsel zu Tee hatte ich im letzten Winter geschafft, bin aber wieder rückfällig geworden. Ich belüge mich da ein Stück weit selbst, das weiß ich. Trotzdem hilft es gerade, meinen Kopf für einen Moment ruhiger zu halten.

Cola meine schwarz-weiße Zuckersucht

Bei meinem Termin ging es natürlich auch um Zahlen. Im Januar lag mein Gewicht bei 206,1 kg und jetzt sind es 198,4 kg. Überraschend für uns beide war der Befund: 4,8 kg mehr Muskelmasse, 6,8 kg weniger Fett. Zum ersten Mal seit Langem fühlte ich, dass etwas in Bewegung kommt, auch wenn ich nicht weiß woher dieser Effekt kommt. Die Ärztin meinte, meine Pläne seien realistisch, weil ich endlich anfange, die vielen ineinandergreifenden Probleme Schritt für Schritt anzugehen.

Interessant war auch ein Thema, das in der Onkologie immer wieder auftaucht: der ungewollte Gewichtsverlust. Bei jeder Kontrolle wird gefragt, ob ich ohne Absicht abgenommen habe. Ein Warnzeichen, das man ernst nimmt. In meinem Fall trifft das Gegenteil zu. Mein Essverhalten und die Mengen, die ich zeitweise zu mir nehme, erzählen eine andere Geschichte. Eigentlich müsste mein Gewicht höher sein, nicht niedriger. Vielleicht ist genau das das Paradoxe: Der Körper kämpft mit den Folgen der Seele und beides lässt sich kaum trennen.

Trotzdem bleibt dieser leise Frust, dass so viele Jahre vergangen sind, in denen kaum etwas passiert ist. Gerade die Corona-Zeit hat neue Spuren hinterlassen neben den Verlusten von wichtigen Menschen. Körperlich und seelisch. Ich hadere noch immer mit dem Gewicht, das damals dazugekommen ist. Aber vielleicht gehört auch das zur Wahrheit: Nicht jeder Abschnitt im Leben bringt Fortschritt, manche bringen einfach nur Erkenntnis.

Langfristig will ich vor allem eines: meine Blutwerte im Blick behalten, mögliche Magen- und Darmprobleme frühzeitig erkennen und nicht wieder den Punkt verpassen, an dem es kippt. Vorsorge ist Nachsorge, das wurde mir wieder klar. Und selten habe ich mich bei einem Termin so verstanden gefühlt.

Sowohl mein HNO-Arzt als auch die Ärztin im UKL waren ehrlich beeindruckt, wie offen ich über alles rede: Über den Krebs, die Psyche, den Alltag dazwischen. Vielleicht ist genau das mein Weg: nicht perfekt sein, aber ehrlich bleiben.

Und trotzdem gibt es Tage, an denen einfach alles zu viel ist. An denen ich am liebsten alles hinwerfen und in den Wald ziehen würde – weit weg von Terminen, Erwartungen, Verpflichtungen. Keine Motivation, keine Kraft, nur der Wunsch nach Ruhe. Vielleicht ist das kein Ende, sondern einfach ein Moment, in dem der Kopf sagt: Ich kann gerade nicht mehr. Und manchmal reicht es, genau das zuzulassen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Es gibt oft Momente, da höre ich oft »Leave Out All the Rest« von Linkin Park. Ein Lied, das mich jedes Mal daran erinnert, dass man nicht laut sein muss, um gehört zu werden. Leider hab ich sehr oft das Gefühl, ganz egal wie laut ich bin, man hört mich vielleicht, nimmt mich aber nicht wahr oder will/kann mich nicht verstehen.

»When my time comes, forget the wrong that I’ve done.
Help me leave behind some reasons to be missed.«

Chester Benningtons Stimme klingt wie das, was ich manchmal nicht sagen kann. Die Müdigkeit, der Wunsch nach Frieden, und der stille Versuch, Spuren zu hinterlassen, selbst wenn man wankt.

Vielleicht ist genau das Nachsorge in ihrer ehrlichsten Form: Nicht nur den Körper im Blick behalten, sondern auch die Seele mit all ihren Narben, Zweifeln und kleinen Momenten von Licht.

P.S.

Ich weiß, dass diese ganze Entwicklung für Außenstehende vielleicht lächerlich wirkt. Viele verstehen nicht, wie man so werden kann wie ich oder warum man es nicht einfach verändert. Ehrlich gesagt: Ich verstehe es selbst nicht. Ich weiß nicht, welcher Hebel mir fehlt, warum ich es nicht schaffe, das Chaos wirklich zu ordnen, oder woran es am Ende immer wieder scheitert.

Und ja, bei dem kleinen Gewichtsverlust könnte man auch sagen, es ist, als hätte man nur das Nummernschild vom deutschen Panzer abgeschraubt. Trotzdem ist es mein Stück Weg. Egal, wie unscheinbar es von außen aussieht.

Schreibe einen Kommentar