Freitag der 13. – Kapitel 2: Wenn der eigentliche Kampf beginnt

Nach meiner Hodenkrebs-OP dachte ich, der schlimmste Teil sei vorbei. Doch zwischen Wundproblemen, Klinikaufenthalt, VAC-Therapie und täglichem Pflegedienst wurde schnell klar: Der eigentliche Kampf begann erst danach. Wie es mir in dieser Zeit erging – und warum mein Endbefund mir trotz aller Angst etwas Erleichterung brachte.

In meinem letzten Beitrag »Freitag der 13. – Diagnose Hodenkrebs« habe ich erzählt, wie ein einziger Tag und eine Diagnose mein Leben auf den Kopf gestellt haben. Zwischen der ersten Untersuchung und der Operation lagen nur vier Tage – vier Tage voller Angst, Hoffnung und Schock. Ich war überzeugt, dass der schlimmste Teil nach der OP vorbei wäre. Doch erst danach habe ich verstanden, wie viel Kraft diese Krankheit mir noch abverlangen würde.

Energie ohne Ziel

Das erste Wochenende zu Hause, vier Tage nach der Operation, war seltsam. Ich hatte Energie, wollte etwas tun, aber nichts fühlte sich richtig an. Es war, als würde ich mich selbst beschäftigen, nur um die Zeit totzuschlagen. Wäsche, ein bisschen Haushalt, hier und da aufräumen und dann wieder auf dem Sofa ODER im Bett landen, weil mein Körper schnell Grenzen setzte.

Bis zum zweiten Wochenende, am 13. Tag nach der OP, ging es mir körperlich Tag für Tag etwas besser, aber innerlich war da diese Leere. Ich wollte zurück ins Leben, aber wusste nicht, womit ich anfangen sollte. Es war, als würde ich auf etwas warten, ohne zu wissen, was. Doch dann kam der Moment, der alles wieder veränderte: Die Wunde machte plötzlich Probleme.

Zurück in den Strudel – Zwischen Kühlakkus und Krankentransport

Nach dem zweiten Wochenende zu Hause wurde es merkwürdig. Mein Bauch war seit der Operation ohnehin dick und hart, bisher hatte bei den Nachsorgen niemand etwas Kritisches gesehen. Doch plötzlich war er warm und verfärbte sich tiefrot, mit Poren so weit auseinander, dass er aussah wie eine überdimensionale Erdbeere. Ich dachte natürlich sofort: Liegt bestimmt daran, dass ich zu wenig ruhe, das Gewicht drückt, die Lage der Wunde und meine Fettschürze tun ihr Übriges. Also weiter kühlen – wie schon die ganze Woche. Nur wurden die Kühlintervalle immer kürzer, als würden die Akkus einfach auf mir verdunsten und sofort wieder warm werden. Schmerzen hatte ich keine, also nahm ich es vielleicht nicht ernst genug.

Am Dienstag saß ich am Tisch, Kühlpack auf dem Bauch und baute meinen LEGO Fortnite Peely Bone. Plötzlich wurde meine Hose komplett nass und die Decke unter mir gleich mit. Mein erster Gedanke? Nicht gerade medizinisch: Na toll, jetzt entleert sich meine Blase von allein – das neueste Feature-Update nach der OP. Nachdem ich mich halb verwirrt, halb panisch ausgezogen hatte, ließ ich meine Frau nachsehen. Die Diagnose: kein Blasenproblem, sondern die Wunde selbst war inzwischen ein kleiner Springbrunnen. Also trocknen, neu verbinden und überlegen: Was jetzt?

Denn so schnell wie wir die Verbände wechselten, so schnell waren sie auch wieder voll. Früher Abend, die Praxen alle zu, und mit einem »fließenden Gewässer« einfach rausgehen? Keine Option. Also riefen wir die 116117 an. Nach zwei Telefonaten und dem kurzen Check mit dem Notruf, ob es schon ein Notfall sei (war es noch nicht) kam die Entscheidung: Der ärztliche Bereitschaftsdienst sollte zu mir nach Hause kommen. Wann genau? Wusste niemand. Der Dienst hatte noch nicht begonnen, also lag ich weiter mit Handtuch und ständig neuen Verbänden im Bett.

Nach gut zwei Stunden standen schließlich zwei Männer in Sanitätermontur und mit großem Koffer in meinem Zimmer. Der Arzt, selbst Chirurg, hörte sich meinen Verlauf an und begutachtete die Wunde. Die gefiel ihm sogar – kein Eiter, kein Geruch, nur klare Flüssigkeit, vermutlich Lymphflüssigkeit. Was ihm Sorgen machte, war eher der Bauch: hart, warm, verfärbt. Er ließ mir die Wahl: Entweder direkt in die Klinik mit Infusion und Aufenthalt oder ein starkes Antibiotikum aus der Apotheke, dreimal täglich oral, und sehr genau beobachten. Ich entschied mich nach einer kleinen Panikattacke für den zweiten Weg. Meine Frau besorgte Medikamente und neues Verbandsmaterial und ich hoffte, dass es ausreichen würde.

Doch am nächsten Tag begann der Tag wieder mit einem komplett durchnässten Verband. Alle zwei bis drei Stunden wechseln, den ganzen Tag. Das kann kein Dauerzustand und vor allem nicht normal sein. Da ich in der kommenden Woche ohnehin zum Hausarzt sollte, schob ich den Termin auf Donnerstag vor, um die Wunde vorher kontrollieren zu lassen.

Dort kam die Ernüchterung: Nach kurzer Begutachtung sagte mein Arzt, dass er mich sofort in die Klinik einweisen müsse. Grundsätzlich war er mit der Wunde zufrieden, aber die Menge an Flüssigkeit, die Schwellung und die Verfärbung waren Warnsignale. Er wollte nicht riskieren, dass ich damit übers Wochenende zu Hause bleibe. Als er diese Worte aussprach, traf mich die Realität wie ein Schlag. Ich fing im Behandlungszimmer an zu weinen, konnte meine Emotionen nicht mehr zurückhalten, ich war einfach fertig.

Mein Arzt nahm sich Zeit. Er hielt meine Hand, sprach ruhig und empathisch auf mich ein, bis ich mich langsam wieder beruhigte. Es tat unglaublich gut, dass jemand mich nicht nur medizinisch, sondern auch als Mensch sah. Währenddessen regelte er alles: telefonierte mit der Klinik, bereitete die Einweisung vor und organisierte den Transport.

Da die Vorstellung, mit nasser Wunde Bus zu fahren, mich zusätzlich ängstigte, bat ich um einen Transportschein für ein Taxi. Er stimmte zu oder zumindest dachte ich das. Wenige Minuten später kam die Praxismitarbeiterin aufgeregt zu mir, während ich draußen wartete: Es würde noch dauern, der Krankentransport verspäte sich. Krankentransport? Ein Blick auf die Verordnung: Der Arzt hatte tatsächlich Krankentransport angekreuzt, nicht Taxi. Und während ich noch überlegte, ob ein Krankenwagen nicht besser für andere gebraucht wird, kam mein bestelltes Taxi schon vorgefahren. Also schnell alles geklärt, neue Verordnung ausgedruckt und ab in die Klinik.

Zurück im Klinikmodus

Nach einer wilden Taxifahrt mit einem Fahrer, der entweder die neue Großbaustelle nicht kannte oder einfach nur die Fahrtzeit verlängern wollte, kam ich schließlich am Haupteingang des Universitätsklinikums an. Meine Frau war inzwischen auch unterwegs, um zu Hause meine Tasche zu packen und zu mir zu kommen. Sie wusste, wie sehr mich die Situation überforderte und dass ich nicht gut allein damit klarkam.

Mit leicht nasser Hose meldete ich mich an der Anmeldung der chirurgischen Ambulanz. Man kannte mich dort bereits. Nach dem üblichen Papierkram durfte ich Platz nehmen, wobei auch hier wieder etwas schiefging: Für die Ambulanz braucht man keine Einweisung, sondern eine Überweisung, selbst wenn man am Ende stationär aufgenommen wird. Warum das so ist? Keine Ahnung. Manche Abläufe im Gesundheitswesen werde ich wohl nie verstehen. Aber gut, ich hatte Zeit, also habe ich meinen Arzt angerufen, damit er die passende Überweisung fertig macht und hinterlegt.

Dann begann das Warten. Ein paar Leute waren noch vor mir dran, aber zum Glück musste ich die Zeit nicht allein überstehen. Meine Frau kam bald dazu als emotionaler Kompass und jemand, der einfach da war, während ich versuchte, mich innerlich zu sortieren.

Der Klinikaufenthalt

Während ich in der Ambulanz wartete, spielte mein Kopf wieder seine bekannten Horrorfilme ab. Szenarien, die alle schlecht enden könnten. Als ich aufgerufen wurde, stieg die Angst auf. Ich hasse diese Ungewissheit, dieses Nichtwissen, wie es weitergeht und vor allem, wie es ausgeht.

Im Behandlungszimmer dann ein bekanntes Gesicht. Zumindest das nahm etwas Druck raus, weil ich mich nicht komplett auf jemand Neues einstellen musste. Es folgten Tasten, Drücken, Ultraschall und der Versuch, mit Spritzen in allen möglichen Längen die Flüssigkeit aus meinem Bauch zu bekommen. Am Ende stand auch die Oberärztin mit im Raum und gemeinsam versuchten sie, die Situation in den Griff zu kriegen. Immer wieder fiel das Wort aufschneiden, was meiner emotionalen Stabilität nicht unbedingt half. Während die eine weiter an mir arbeitete, telefonierte die Oberärztin mit jemandem aus der Adipositaschirurgie, um abzuwägen, ob eine OP überhaupt Sinn macht. Ihr Hauptargument: Die möglichen Komplikationen durch mein Gewicht könnten schlimmer sein als der Eingriff selbst.

Ganz ehrlich: Man hätte aus der ganzen Szene ein perfektes Pimple-Popper-Video für Social Media machen können. Die Klickzahlen wären durch die Decke gegangen. Aber Humor beiseite, am Ende gelang es, zumindest einen Teil der Flüssigkeit herauszubekommen. Nach der Abgabe von Urin- und Blutproben, dem Legen einer Flexüle und dem Hinweis, dass ich stationär bleiben müsse, war klar: Ein paar Tage Klinik, Infusionen und Wundbeobachtung, dann sehen wir weiter.

Das Einchecken war unspektakulär. Wenn keine OP geplant ist, fühlt es sich fast an wie ein Hotel, nur dass man hier bedient wird und die Umgebung alles andere als gemütlich ist. Mein Glück: ein Doppelzimmer ganz für mich allein. Vermutlich wegen der offenen Wunde oder einfach, weil gerade nicht so viel Betrieb war. Warum ich mir über solche Dinge Gedanken mache, weiß ich selbst nicht.

Der erste Tag und die erste Nacht waren ereignislos. Für Freitag kündigte sich allerdings das Wundteam an, um die passende Therapie zu finden. Am Ende fiel die Entscheidung auf eine VAC-Therapie – mindestens bis Montag. Montag nur gucken, nicht anfassen. Dienstag, wenn alles gut läuft, Entfernen und Entlassung. So war zumindest der Plan.

Was ist eine VAC-Therapie?

Für alle, die den Begriff nicht kennen: Eine VAC-Therapie (Vakuumversiegelungstherapie) ist im Grunde eine Wundversorgung, bei der die Wunde mit einem speziellen Schaumstoff und Folienverband abgedeckt und über einen Schlauch mit einer Vakuumpumpe verbunden wird. Das Vakuum zieht Flüssigkeit und Wundsekrete ab, hält die Wunde sauber und fördert die Heilung. Klingt nach Science-Fiction, ist aber ziemlich effektiv.

Ich hatte mir die Apparatur schlimmer vorgestellt. Klar, der Schlauch war gewöhnungsbedürftig, aber unangenehm war es nicht. Ganz spurlos merkt man das Ganze natürlich trotzdem nicht.

Besuch und wie man die Zeit totschlägt

Zum Glück hatte ich jeden Tag Besuch. Der Klinikalltag läuft nach Schema F: Aufstehen, Infusionen, Visite, Putzen, Mahlzeiten. Viel mehr passiert nicht, wenn man nur beobachtet wird. Gefühlt wurde ich oft vergessen, weil ich keine Arbeit machte – außer Essen, Trinken und Wundkontrolle. Wie im Schweinemaststall, nur mit dem Ziel, nicht erneut unters Messer zu müssen. Eine Schwester war so irritiert, dass ich so ruhig und unauffällig war, dass sie mehrfach suchte, ob ich einen Katheter hätte. Hatte ich nicht.

Am Samstag fiel leider unsere wöchentliche Kaffeerunde im Franz Morish aus. Stattdessen gab es Besuch von meiner Frau und unseren Freunden samt Kuchen und Kaffee, damit das Klinikwochenende etwas erträglicher wird. Natürlich verzögerte sich das Ganze, weil meine Infusion vergessen wurde. Aber immerhin gab es Ablenkung und Gesellschaft von Menschen, die mich so nehmen, wie ich bin.

Etwas Positives beim Aufenthalt? Die Betten. Endlich mal schlafen ohne Rückenschmerzen. Und ich habe sogar mein erstes Sebastian Fitzek Buch »Horror-Date: Kein Thriller (Obwohl man beim Dating auf viele Psychos trifft)« geschafft. Thematisch nicht wirklich passend, aber eine willkommene Ablenkung.

Am Sonntag schlichen wir uns vor der Besuchszeit in die Cafeteria, gönnten uns ein zweites Mittagessen und bestellten Kaffee bei einem großen, kapitalistischen Kaffeeriesen. Nicht gerade die edelste Variante, aber manchmal muss man das Beste aus der Situation machen. Ich hatte gehofft, dass mich der Aufenthalt mental etwas runterholt, aber so richtig zur Ruhe kam ich trotzdem nicht.

Den geilen Beutel habe ich vom lieben kaos.in.der.kuechen bekommen und war ein idealer Begleiter für die Spaziergänge im Klinikum. Wer Bock hat auf einfache, vegane Rezepte und ganz viel Krach, ist bei ihm an der richtigen Stelle.

Das Ende der VAC-Therapie und die Entlassung

Neue Woche, neues Glück. Zwischen Arztvisite und Frühstück kündigte sich das Wundteam nur zum Gucken an. Da meine Vene endgültig keine Lust mehr auf die Flexüle hatte, stellte man die Antibiotikatherapie von Infusionen auf Tabletten um. Mit dem Heilungsverlauf war man zufrieden: Die Färbung und Schwellung hatten sich während meines Aufenthalts deutlich gebessert.

Aus dem geplanten »Nur gucken« wurde dann aber ein größerer Schritt: Die VAC-Therapie wurde beendet. Schlauch, Schwamm, Folienverband alles kam ab. Stattdessen plante man die weitere Versorgung in der Klinik und später zu Hause. Über das Wochenende war man mit dem Ergebnis sehr zufrieden und optimistisch, dass die Wunde auf einem guten Weg ist. Sollte es nach Absetzen der Antibiotika nicht wieder schlechter werden, sprach vieles dafür, dass mein Körper die Heilung jetzt selbst in den Griff bekommt.

Der neue Wundverband war groß und durch die Lage definitiv spürbar. Aber schön muss er nicht sein, nur schützen und helfen. Mir wurde erklärt, dass die Versorgung künftig durch einen Pflegedienst übernommen wird. Der würde sich bei mir melden, um alles Weitere abzusprechen. Pflegedienst mit 41 Jahren hatte ich auch nicht auf dem Bingozettel, aber besser so, als wenn man als Laie irgendetwas falsch macht.

Am Dienstag war dann Visite mit der entscheidenden Frage: Bleibe ich oder gehe ich? Während die Oberärztin vom Donnerstag mich am liebsten noch bis zum Wochenende behalten hätte, hatte der behandelnde Arzt meine Entlassungspapiere bereits fertig gemacht. Kommunikation klappt eben nicht immer. Aber er hatte nicht ganz unrecht: Tabletten kann ich zu Hause auch nehmen und wenn die Wunde stabil ist, muss niemand unnötig die Kosten für ein Klinikbett tragen.

Also ging es mittags nach Hause. Mein Bett im Doppelzimmer war schon wieder neu vergeben, mit dem nächsten Menschen der Hilfe bekommt und gesund werden möchte.

Pflege zu Hause und ärztliche Nachsorge

Zuhause angekommen, nahm ich direkt Kontakt mit dem Sanitätshaus auf. Zum Glück kannte man mich dort schon, die Unterlagen waren bereits vorhanden. Man merkte mir an, dass die ganze Geschichte materialintensiv und damit kostspielig ist, aber alle gaben mir das Gefühl: Wir kriegen das hin.

Am nächsten Tag kam das Sanitätshaus zur Erstversorgung und Dokumentation der vorhandenen Wunde. Parallel schaute auch mein Urologe noch einmal auf die Wunde und übernahm selbst einen Verbandswechsel. Danach übernahm der bestellte Pflegedienst die tägliche Versorgung. Verband wechseln, Wunde prüfen, dokumentieren. Zusätzlich muss ich regelmäßig ins Universitätsklinikum und zu meinem Hausarzt, damit mehrere Augen den Heilungsverlauf im Blick behalten.

Eine sehr anstrengende und ermüdende Reise jedes Mal.

Zwischenstand nach knapp 14 Tagen

Körperlich geht es mir von Tag zu Tag besser. Der Verband ist inzwischen kleiner geworden, die Ärzte und der Pflegedienst sind mit der Heilung zufrieden. Die tägliche Betreuung gibt mir Sicherheit, aber sie ist auch eine Belastung. Es bedeutet, dass ich jeden Tag funktionieren muss, selbst an den Tagen, an denen mein Kopf eigentlich nur Ruhe will.

Was mich aktuell am meisten stört? Mein Schambein ist seit der OP teilweise taub, mein Bauch immer noch dick (aber immerhin nicht mehr rot) und ich bin schnell erschöpft und dauermüde. Ich weiß, dass das alles Zeit braucht, aber es fühlt sich manchmal an, als würde mein Körper und mein Kopf in zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten heilen.

Der Endbefund – zwischen Wundheilung und neuer Unsicherheit

Während ich zu Hause langsam meinen neuen Rhythmus mit Pflegedienst und Arztterminen gefunden hatte, kam ein Moment, der mich komplett kalt erwischte. Eigentlich wollte ich nur beim Urologen vorbeischauen, um Unterlagen für die Krankenkasse abzuholen. Stattdessen bekam ich meinen Endbefund zum Hodenkrebs mitgeteilt.

Klar, ich hatte auf diesen Befund gewartet, ich wollte wissen, wie es weitergeht, nicht nur mit der Wunde, sondern mit mir insgesamt. Aber vorbereitet war ich auf diesen Moment nicht. Die Mitarbeiterin, die mich mit ernstem Blick darauf hinwies, verschwand im gleichen Atemzug ins Arztzimmer. Mein Kopf begann sofort wieder, seine Filme abzuspielen: Was bedeutet das? Wie schlimm ist es?

Nach kurzer Wartezeit, weil noch zwei Patienten vor mir dran waren, rief mich der Arzt zu sich. Auch er sah mich mit diesem ernsten Blick an, schaute zwischen dem Monitor und mir hin und her. Dann kam die Auflösung: Ja, es war ein bösartiger Keimzellentumor, etwa 5,2 Zentimeter groß. Aber und das war der entscheidende Punkt, es hatte sich noch nichts weiter ausgebreitet. Keine befallenen Blut- oder Lymphgefäße, Nebenhoden und Samenstrang waren tumorfrei, keine Hinweise auf Metastasen.

Für mich heißt das Stand jetzt: Keine Chemotherapie, keine Bestrahlung. Stattdessen die übliche Nachsorge: Blutwerte im September, MRT im Januar und so weiter. Kein Spaziergang, aber ich bin früh genug hin und komme, bildlich gesprochen, mit einem blauen Auge davon.

Fazit und Ausblick

In den Wochen seit der Diagnose, der Operation und all den Terminen danach habe ich etwas gelernt, das mich selbst überrascht hat: Meine Depression, die sonst so allgegenwärtig ist, konnte für Momente in den Hintergrund treten. Nicht, weil sie weg ist, sondern weil die Angst und die Ungewissheit um meine Gesundheit lauter waren. So paradox es klingt, manchmal kann die Angst vor dem Schlimmsten andere Sorgen kurz übertönen.

Ich bin froh, dass ich durch Zufall und die Doctolib-Funktion einen früheren Termin bekommen habe. Zwei Monate früher zur Diagnose zu kommen, könnte am Ende der Grund sein, warum ich jetzt mit einem blauen Auge davonkomme. Keine Chemo, keine Bestrahlung – nur Nachsorge und die Hoffnung, dass es dabei bleibt.

Sobald ich körperlich und geistig wieder auf dem Damm bin, will ich meine anderen Baustellen anpacken. Es gibt so viele Dinge, die liegen geblieben sind und ich will Stück für Stück Wege finden, sie in den Griff zu bekommen. Nicht alles gleichzeitig, aber so, dass mein Leben langfristig wieder lebenswerter wird.

Was mir diese Krankheit deutlich gezeigt hat: Ich will und muss Veränderungen anstreben. Es gibt Situationen, die ich nicht mehr so hinnehmen möchte, weil sie mich zermürben und mir langfristig schaden. Am Ende sind viele Worte schön und warm, aber sie lösen nichts. Ich habe gemerkt, dass ich handeln muss, nicht nur reden und Lösungen nicht von außen kommen. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich mein Leben nicht weiter einfach treiben lassen kann, wenn ich es wirklich verbessern will.

In diesem Sinne: Geht zur Vorsorge und bleibt untot!

Schreibe einen Kommentar